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Das bessere Konzept

Das bessere Konzept

Bekanntermaßen ist das Land Baden-Württemberg mit seiner hauseigenen Bildungsplattform Ella krachend gescheitert. Nun suchen die Verantwortlichen ihr Heil im Einkauf einer solchen bei Microsoft. Warum sie dem Land damit einen Bärendienst erweisen, wurde hier bereits an anderer Stelle erläutert. Wie aber könnte eine bessere Lösung aussehen? Darum soll es in diesem, iterativ weiterentwickelten Artikel gehen. Bislang ist er vor allem mal aus einem „Brainstorming“ heraus entstanden.

Digitale und informationstechnische Kompetenz bringt man nicht in die Schulen, indem man Lehrer, die genau die benötigten Fähigkeiten mitbringen, aus diesen abzieht, um sie durch Dienstleister zu ersetzen. Zwar ist Schul-IT bei externen Dienstleistern durchaus beliebt: Keine Ansprüche, kein Verhandlungsgeschick, keine Ahnung, zahlen alles und wenn’s nicht läuft: auch egal. Perfekt für den
Azubi und ganz unten auf der Prioritätenliste. Die Ausnahme mag auch hier die Regel bestätigen, aber Digitalisierung und digitale Kompetenz braucht direkt abrufbare Kapazitäten vor Ort. Diese müssen qualifiziert und gestärkt werden. So braucht es an jeder Schule fähige Systembetreuer, die nicht nur die theoretischen Kenntnisse eines Informatiklehrers aufweisen, sondern auch als Systemadministrator glänzen. Dafür müssen sie dann eben auch ausgebildet werden und ein Modul des Staatsexamens stellt das sicher. Die Ausbildung erfolgt durch oder in enger Zusammenarbeit mit dem Rechenzentrum (s.u.) der Schulen.

Wie jede Universität und viele wissenschaftliche Einrichtungen über ein Rechenzentrum verfügen, benötigen auch die Schulen im Land ein solches. Dort werden die von den Schulen benötigte Dienste betrieben. Gleichzeitig können die Schulen aber auch selbst eigene, weitere oder experimentelle Angebote selbst hosten. Derzeit wird in Baden-Württemberg die Lernplattform Moodle und eMail durch Belwü angeboten. Dieses Angebot wird eigenständiger, unabhängiger und maßgeblich erweitert. Ohne großes Nachdenken kommen einem dabei Nextcloud, BigBlueButton und Mattermost in den Sinn, die bereits in der einen oder anderen Form an Schulen im Einsatz sind.

Der Kern des Konzepts besteht in einer Projektgruppe, die aus fähigen und kompetenten Lehrern, Entwicklern und IT-Fachkräften zusammengesetzt ist. Dieses Team betreibt einerseits die Dienste im
Rechenzentrum, erarbeitet aber gleichzeitig mit Schulen, die eine Vorreiterrolle spielen, weiterführende Konzepte. Dabei wird ausschließlich auf Freie Open Source Software und eigenes Hosting gesetzt, um datenschutz- und lizenzrechtliche Probleme weitgehend ein für alle mal los zu sein. Neben dem Austausch mit den schulischen Administratoren und IT Experten arbeiten die Mitglieder dieser Projektgruppe auch direkt mit den Upstream-Projekten der eingesetzten oder potentiell interessanten Software zusammen, sowohl durch direkte Beteiligung und Code-Beiträge, als auch durch Auftragsvergabe an Programmierer zur Weiterentwicklung. Außerdem ist die Projektgruppe auf Konferenzen präsent, knüpft und pflegt Kontakte zur "Community’, zu den Schule-IT-Lösungen anderer Bundesländer und legt so die Basis für Kooperation und die nachhaltige Nutzung von Synergieeffekten in der Bildungs-IT.

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Das hört sich prima an. Die Kompetenz ist fraglos vorhanden, die Einzelkomponenten (Moodle, BigBlueButton, Nextcloud, Matrix) sind verfügbar und ausgereift. Im Land verstreut gibt auch schon sehr viel Erfahrung damit. Die Lehrer wissen am besten, was in der Praxis benötigt wird und was das Kollegium akzeptiert.

Wenn es gelingt, den Erfahrungsschatz im Land zu heben und an einer Stelle zu bündeln, so kann dies ein Selbstläufer für Innovation an der Schule werden. Die Austauschmöglichkeit der einzelnen Schuladmins hebt einen ungeheuren Wissenschatz. Viele wären bereit ihre Lösungen in die zentrale Projektgruppe einzubringen. Dort würde man ernst genommen. Durch die Freiheit, selbst Dinge auszuprobieren und nicht mit Fertigprodukten abgespeist zu werden kann Neues entstehen. Der OpenSource-Gedanke ermuntert zum Mitmachen.

Toll wäre es, wenn das zentrale Rechenzentrum den Schulen neben den Einzeldiensten auch reine Rechenpower in Form virtueller Maschinen anbieten würde. Dann könnten Schulen, die selbst nicht so gut ans Internet angebunden sind, trotzdem eigene Lösungen entwerfen und mit entsprechender Bandbreite anbieten. Wie viele Schulen haben hierfür in den letzten Monaten Rechenkapazität bei freien Anbietern anmieten müssen. So ginge das einfacher.

Die „Community“ hat in den letzten Monaten gezeigt wozu sie in der Lage ist. Derzeit ist eine Aufbruchstimmung zu spüren. Viele wollen jetzt gestalten und etwas bewegen. Wenn man die „Community“ machen lässt und ihr eine Struktur und einen Rahmen gibt, dann hätte man die beste, sicherste und günstigste Bildungsplattform. Dann hätte man die Digital Souveräne Schule.

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Das ist ja ein Problem, welches nicht nur im Bildungsbereich akut ist. Das „Auslagern“ von Know How, um Kosten zu sparen, als großes Mantra der IT-Branche. Je weniger man selbst macht, umso besser.

Und ich finde das nachvollziehbar: an den Schulen überall eine IT-Belegschaft „vorzuhalten“ ist aus Sicht der Träger bzw. der Länder vermutlich ein kaum einzuschätzender „Kostenmoloch“. Dennoch sehe ich auch keine Alternative - bzw. sehe, wie kaputt all diese Alternativen sind.

Es wäre ja ein gangbarer Weg (und überschaubar in den Kosten), wenn es einen einheitlichen Satz an Stunden für die Schnittstelle zwischen Technik und Pädagogik gäbe (Abhängig eher von der Zahl der Lehrkräfte als von der Anzahl der PCs). Jemand, der speziell daraufhin geschult wird. Und wenn es Stunden (oder kapitalisiert dann Gelder) gäbe, die die Schulen in die Lage versetzt, entweder selbst für Ausstattung und Betreuung zu sorgen oder einen entsprechenden Dienstleister zu beauftragen. Und die Schulen diesbezüglich gegenüber den Schulträgern zu stärken (die eben nicht „von der Schule her“ denken).

Ich denke, zusätzlich dazu ein „Basisprogramm“ anzubieten, steht dem ja nicht entgegen.

Aber es gibt ja nicht einmal eine vernünftige Diskussion darüber. Wie übrigens auch Themen wie Datenschutz und „digitale Selbstversorgung“ bei vielen Firmen heute abgelehnt wird, da man ja sonst Kompetenz haben müsste, die man sich aber lieber einkauft. Es wird ja auch lieber über Gaia-X geredet, als darüber, endlich mal wieder Kompetenz in den Firmen aufzubauen…

Man kann auf diese Missstände hinweisen - aber ob jemand Interesse an dieser alternativen Auflösung hat… ich bin da unsicher. Auch wenn viele Schulen ja längst beweisen, dass es so geht (und das sich inzwischen weit über irgendeine „Frickelei“ hinaus stabil zeigt. Aber zur Wahrheit gehört auch nach wie vor: es gibt viele, viele Schulen (und Firmen), wo keinerlei Ahnung vorhanden ist und die Bereitschaft, sich selbige zu verschaffen, sehr überschaubar ist.

Viele Grüße
Thomas

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Hallo,

wenn wir hier von einem Zukunftskonzept reden, sollten wir auch den Städtetag und konkreter die Kommunen vor Ort mit einplanen und einbeziehen.

Manche Schulträger planen und organisieren schon viel von der Infrastruktur und haben starke Ausstrahlung auf das was an Schulen möglich und machbar ist und auch was dadurch unmöglich und unmachbar wird. Beispiele: Breitbandanschluss (oder nicht), zentrale WLAN-Versorgnung, zentrale Schulserverlösung, LAN-Management bis hin zur Ausstattung der Schulen: „Zur Wahl stehen Windows-Laptops oder iPads. Punkt.“ Diesen Schulträgern muss man über die Schulter schauen und Einfluss nehmen, denn sie wissen nicht immer was sie da (für die Schulen) tun.

Wenn es z.B. ein größeres Rechenzentrum gibt, das von der Kommune bereitgestellt wird, dann muss es möglich sein, dass einzelne Schulen Freiraum behalten (z.B. von Open Source Angebot einfordern können „aka. ich möchte lieber Nextcloud statt XYGroupWare“ bis hin zu Zugriffsrechte auf dem Rechenzentrum, um eigene Ideen umzusetzen) und nichtzuletzt den Freiraum, es auch anders machen zu dürfen, wenn es im Rechenzentrum eben nicht so klappt, wie die Schule es gerne hätte.

Wenn diese lokal zentralisierten Lösungen in Zukunft öfter als nur in Großstädten aufgezogen werden, stellt sich auch für die Schulen allgemein die Frage, ob es eine digitale Kompetenz für die „Netzwerkbetreuung“ an den Schulen überhaupt noch braucht? Muss es weiterhin Lehrer geben, die das machen, oder kann man das dem IT-Dienstleister „Kommune“ nicht abgeben? Ja! Es muss weiterhin die Kompetenz an Schulen geben, es muss weiterhin Lehrer oder an Schule Angestellte geben, nein, man kann nicht alles abgeben, auch wenn es das IT-Amt der Stadt ist. Die Komponente „vor Ort“ ist hier entscheidend.

Ich plädiere hier stark dafür mit den IT-Ämtern der Kommunen zusammenzuarbeiten und sie von einem Konzept zu überzeugen, das maximale Flexibilität bei den Schulen behält, IT-Kompetenz bei den Schulen aufbaut und dafür sorgt, dass „IT-schwache“ Schulen davon profitieren.
Ich bin dagegen, die Kommunen nur als Sachaufwandsträger abzustempeln und sie für den Infrastrukturbereich wie LAN/WLAN verantwortlich zu machen. Die Realität sieht bei uns anders aus. Es entscheidet sehr wohl mit, wer das Geld in der Hand hat, auch über die Schulserverlösung, den WLAN-Controller und die eingesetzen Endgeräte und deren Software.

Damit ich nicht nur als „der, der mit seiner Stadt hadert“ angesehen werde, noch ein Beitrag zur der Idee einer Projektgruppe + Rechenzentrum: Wie Belwue in BW Moodle und E-Mail vorhält und BBB BW-landeszentral angeboten wird, gibt es immer mal wieder hier und da Dienste im Internet, die schick und in und der MEinung mancher nach pädagogisch wertvoll sind, die man in der einen oder alternativen Form selbst hosten könnte oder sollte, für die aber nicht jede Schule eine Kompetenz oder Zeit hat. Beispiele sind:

  • doodle.com - als Terminfindungsplattform
  • limesurvey - als Umfragewerkzeug
  • kollaborative Werkzeuge wie trello, padlet, codimd, wakelet, ein wiki

Idealerweise würde man Dienste wie diese lokal in der Schule anbieten, weil es evtl. einfach schneller geht, den Dienst auch unpersonalisiert betreiben kann und dabei weiß (idealerweise kontrolliert) ob und welche pseudonymisierte Daten an Dritte gesendet werden und weil eine legale personalisierte Variante möglich ist, a.k.a die Schüler können sich mit einem (Schul)Konto anmelden und die Ergebnisse können pädagogisch verwertet werden.

Zweitidealerweise findet man ein Rechenzentrum, dass einem die anonym anbietet und vertrauenserweckend ist. Ich denke hier an ZUMpad.de oder nuudel.digitalcourage.de. Diese Form des Hostings könnte auch zentralisiert eine andere - vertrauenswürdige - und datenschutzrechtlich absichernde Entität anbieten. Ich denke hier an Belwue in BW, die Landeslehrerfortbildung oder auch das lokale Rechenzentrum der Kommune.
Wenn ich das Konzept einer Projektgruppe mit eigenem Rechenzentrum richtig verstanden habe, dann wären die von mir angerissenen Dienste mögliche Ziele so einer Gruppe? Das wäre schön. Schön wäre auch, wenn die Projektgruppe (ideologiefrei) nach technischen Lösungen mit den einzelnen Schulserverlösungen sucht. Solange es vom Land kein zentrales Identitätsmanagement gibt, ist man auf die Konten der Schüler in den Schulen angewiesen.

VG, Tobias

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Wo soll ich unterschreiben? Finde ich klasse!

Ich sehe den Optimierungsbedarf auch vor allem in der Vernetzung und der Bündelung der Kompetenzen. Das Potential schlummert oft, grundsätzlich mit zu wenig Anrechungsstunden wertgeschätzt, in unklimatisierten Serverräumen diverser Schulen. Es wird viel Tolles, Kreatives und Datenschutz Respektierendes geleistet und am Ende durch SaaS-Grütze des üblichen verdächtigen Großkonzerns mit fadenscheinigen Begründungen ersetzt.

Technisch würde ich mir am Ende sowas wie Disroot für Schulen vorstellen.

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Hallo Leute,
vielen Dank für Eure Beiträge und Anregungen. Ich habe nun den überarbeiteten Text auf der Hauptseite veröffentlicht. Natürlich sind weitere Kommentare und Ideen stets willkommen.
Schöne Ferien,
Andi